In den Eingeweiden einer fremden Stadt.
München begrüßt mich mit Sonnenschein. Der Zug ist voll. Besser gesagt voll gestopft mit Koffern und Taschen von all denen die mit einem Flugzeug aus dem Himmel gelandet sind und nun von der grünen Wiese direkt ins Zentrum der Stadt wollen.
Auf dem Vierer links von mir sitzt eine braun gebrannte Dame, irgendwie prollig und überpflegt zu gleich, irgendwo ab sechzig aufwärts. Ihr Arm ist mit einer diamantbesetzten Uhr beschmückt. An den Fingern glitzern weitere Klunker. Unter der ganzen Pracht erstreckt sich eine Blumen-Hennamalerei vom Zeigefinger bis weit den Arm hinauf. Alles ist so taufrisch und echt wie die Trägerin scheinen möchte.
Gut. Solche Schrulligkeiten haben meine Sympathie. Habe ich doch die Überzeugung, das nach außen Gelebte Auffälligkeiten eher von geistiger Gesundheit sprechen, als zu viel Angepasstheit. Wahre Abgründe lauern oft hinter einer „normalen“ Fassade. Ich hatte da so meine Begegnungen…
Meine „Grill Gretel“, schräg links, ist vergnügt. Blubbert ihren Banknachbarn voll, indem sie jede Station kommentiert. „Oh nein, wo fährt den deeer Zug jetzt her. Ich komme ja niiie an.“ Als wüsste sie nicht, in welcher Bahn sie sitzt.
Der Zug wird noch voller. Eine uralte Bayrin setzt sich mir gegenüber. Misses „Oh nein“ hat angefangen zu telefonieren. Ziemlich große Teile des Wagens können ungefragt mithören. Ich kombiniere: Urlaub ( „Habe vorgestern noch im Meer gebadet“), Ägypten? („Ramsi ich soll Dich von Oma grüßen“) so international sieht die Dame gar nicht aus, Hochschwangere Gesprächspartnerin („Was, jeder Zeit?“), Abholung am Ostbahnhof durch die Nachbarin („Ich muß ihr aber sagen das dauert noch“). Bei der dritten Gesprächsunterbrechung („Mein Gott dieses Handy!“), samt Piepen bei jeder neu gewählten Ziffer, sieht mich die uralte Bayrin von gegenüber an und sagt: „ Die is kroonk“.
An der Fraunhofer Straße erreiche ich wieder die Erdoberfläche. Hallo München, hier bin ich!