Neulich in der S-Bahn aus Richtung Blankenese

Zwanzig vor Acht. Morgens. Ich sitze in der S-Bahn und fahre ziellos durch die Stadt. Mein Kumpel Dag würde sagen, ich fahre Sozialcontainer. Er läuft lieber zu Fuß. Bei Sonne, bei Schnee, bei Regen. Braucht ’ne Stunde für nich’ mal zwei Kilometer. Egal. Er hält die Menschen hier nicht aus. Ich mag das. Je nachdem, wo ich gerade bin, fahren komplett andere Leute mit mir. Ich wette, ihr könntet mir Bilder von Fahrgästen vorlegen und ich sage Euch, in welcher Linie wir uns wo gerade befinden. So viel zum Thema Bahn U- und S-Bahn fahren.

Haltestelle Reeperbahn
Jetzt beginnt das große Fahrgastcrossover. Der feine Westen muß den Kiez noch volle vier Stationen bis zum Hauptbahnhof aushalten. S-Bahn fahren hat was äußerst demokratisches. Finde ich.

Haltestelle Jungfernstieg
Noch zwei Stationen. – Als ich nach Hamburg kam, habe ich gleich im ersten Winter eine Geschichte erlebt, die zu gut für die Wahrheit ist. In der gelben Linie, Höhe Borgweg, fing ein Obdachloser an ein Feuerchen zwischen den Sitzen zu machen. Sein Kopf und Oberkörper verschwand und tauchte im Rhythmus wieder auf. Untermalt von kleinen, aufsteigenden Rauchwölkchen. Keiner und keine der anderen im Wagen haben sich getraut was zu sagen. Niemand ist hingegangen. Ein paar Fahrgäste stiegen an der nächsten Haltestelle schnell und wortlos aus. In ihren Augen Angst um ihr schnödes Leben. Ihm war schlicht und innig kalt. So ging es einige Zeit weiter. Ich glaube es waren zwei bis drei Haltestellen, bis ein Schaffner draußen das Feuerchen entdeckte und den Obdachlosen rüde aufforderte es auszumachen. Aber dalli. „Na gut“ raunzte der Opi. Seine Füße begannen laut zu trampeln. Dann Ruhe. Und Weiterfahren.

Haltestelle Hauptbahnhof
Willkommen im Supergau. In der morgendlichen Rushhour. Im Clash der Nationen, der Schichten, der Stadtteile. Willkommen im Herzen der Stadt.

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