S 31, kurz vor Neuwiedenthal

Die Welt befindet sich in ständiger Auflösung. Wir wollen es nur nicht wahr haben. Wir tun alles, um das kindliche Gefühl der unendlichen Ewigkeit zu behalten. Ich bin immer. Die Sonne meiner Welt geht erst auf. Bis die unserer Eltern, Freunde, Bekannten, Verwandten untergeht. Die unserer Großeltern. Unserer Tanten und Onkels. Unserer Familien.

Die Wurzeln die uns getragen haben werden das Luftschloß unserer Erinnerungen. Und wir müssen auf einmal die Wurzeln sein für die, die nach uns kommen.

Ich bin traurig. Wie damals als Kind. Als mir ein Versprechen gebrochen wurde, an dessen Erfüllung ich so geglaubt hatte. Ich war maßlos enttäuscht. Erfuhr zum ersten Mal das nichts bleibt. Es gibt nichts, was diese erste Enttäuschung rückgängig machen kann.

Ich habe noch nicht viel von dem erreicht, wonach es mich drängt. Aber selbst wenn ich einmal die ganze Welt besessen haben sollte, wird das Gefühl nicht aufhören, länger leben zu wollen, um das, was es noch alles gibt, erleben zu können.

Wie sagte die 95 jährige Großtante meines Freundes, die unbedingt 100 werden wollte: „Bis Hundert sind es ja nur noch fünf Jahre!“ Ich konnte sie so verstehen.

Warum gehört das Verlieren zum Leben dazu? Wer braucht den Schmerz?

Mein einziges Zuhause ist der Gesang. Denn wenn ich singe ist immer Jetzt. Die Zeit steht. Ich kann sie für einen kleinen Moment anhalten. Der Schmerz tut noch weh, ist aber gleichzeitig nicht mehr so schlimm. Das Schöne ist schöner. Die Töne umarmen mich auf ewig. Ich habe keine Angst. Bin für immer aufgehoben.

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