Sonntag Mittag, 20.6., in der Buslinie 15 von Altona in die Schanze

Der Bus ist außergewöhnlich voll. Eigentlich kein Wunder denn die Fahrt ist den ganzen Tag umsonst. Autofreier Sonntag. Wie phantastisch wäre das, wenn Bus und Bahn fahren immer umsonst wäre. Und noch viel mehr von diesen Mobilen unsere Strassen und Schienen bevölkern würden.

Ich sitze kurz vor der hinteren Eingangstür. An jeder Haltestelle kommen und gehen viele neue Menschen. Nur einmal ist der Platz an der Tür ziemlich leer und ein junger Mann in Shorts und mit Wasserflasche, offensichtlich kommt er vom Joggen, steigt ein, und bleibt in der Tür stehen. Ich werfe einen kurzen Blick auf ihn und plötzlich beginnt mein „was wäre wenn“ Gedankenspiel:

Was wäre wenn der Jogger in meinem Rücken ein Selbstmordattentäter wäre und genau jetzt eine Bombe zünden würde? In so einem unverdächtigen Moment, in so einem banalen Ausschnitt des Lebens.

“Es wäre schnell mit mir vorbei, weil sofort mein Kopf, mein Bauch, einfach alles, explodieren würde. Ich wäre schneller tot als ich den Gedanken denken könnte“ denke ich. Spontane Traurigkeit überfällt mich, weil ich wieder mal merke wie endlich das Leben ist. Und wie viele Dinge ich noch gerne erleben möchte. Aber gleich danach beruhigt es mich auch ungemein, zu wissen, das ich nicht leiden würde.

“So muß das in Israel oder in Afghanistan oder in Moskau oder sonst noch wo sein.“ Denke ich dann. Wie unsicher doch das Leben ist. Nie mehr Bus fahren? Sicherheitshalber? Das hieße wohl auch, nie mehr vor die Haustür gehen, sicherheitshalber.

Als der Bus die Sternbrücke erreicht, kommt mir, zum wiederholten mal, das „Recht auf Stadt“ und die ganze Bewegung dahinter, in den Sinn. Es zerreißt mir das Herz zu sehen, wie mein Viertel zu hip zum Leben wird und doch immer noch zu schön zum Sterben ist.

Selbst meine Nachbarn, die äußerlich so sind wie Du und ich, wollen aus der Vermietung ihrer Wohnung den maximalen Gewinn ziehen. 16 € den Quadratmeter. „Wenn über der Kneipe schon 12 € kalt gehen“ ist ihr Kommentar. „Irgendwer will unbedingt hier wohnen und wird die Wohnung zu dem Preis nehmen“ sagen sie, als wir meinen, dass das zu hoch gegriffen ist. Wo ist hier bitte schön der Unterschied zur internationalen Investorengruppe die gerade Gebäude und Häuser aufkauft um sie in Zukunft mit maximalem Gewinn wieder los zu werden? Ist das Viertel erst zerschunden wird einfach weiter gezogen. Der persönliche Vorteil ist eingefahren. Nach uns die Sinnflut.

So scheint das Gesetz der Stadt zu sein, und will doch nicht in meinen Kopf rein, der anscheinend einige Hippieideale konserviert hat. Ein bisschen benebelt von so viel Gedankenspannbreite taumele ich Richtung Fußgängerampel am Schulterblatt.

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